Die fortschreitende Besiedlung im südlichen Teil
Wagriens im 13. Jahrhundert und zur Erschließung des bäuerlichen
Hinterlands erforderten die Gründung wirtschaftlicher Mittelpunkte und
den Zugang zum Ostseehandelsverkehr. Hierzu zählen die von Graf Adolf
IV. von Schauenburg im Jahr 1244 gegründeten Neusiedlungen Neustadt (als
Nighestad von Altenkrempe) und Kiel. Altenkrempe liegt landeinwärts am
flachen Binnenwasser. Neustadt (21 ha Bebauungsfläche) und Kiel (17 ha)
wurden nach einem gleichen Schema – ähnlich wie bereits für Lübeck (107
ha) – ausgeführt. In der Ortsmitte befinden sich die Kirche und der
Marktplatz, von denen rechtwinklige Straßen abgingen. Zur Verteidigung
wurden die Siedlungen von einer Mauer und einem äußeren Befestigungsring
umschlossen. Bei der Standortwahl nutzte man Geländegegebenheiten zum
Schutz der Siedlung, für Neustadt das angrenzende Binnenwasser und seine
Verbindung zur Ostsee, dem heutigen Hafen.
Die ehemalige Siedlungsstruktur von Neustadt mit
der Stadtkirche, dem Marktplatz und den anbindenden Straßen ist heute
noch weitgehend erhalten. Die Grabenstraße, Waschgrabenallee,
Schiffbrücke, „Untere Querstraße“, „Am Binnenwasser“ und der
Haakengraben umschließen (im Uhrzeigersinn) die ehemals mittelalterliche
Siedlung. Von der alten Stadtbefestigung und den drei Stadttoren ist nur
noch das nördliche Kremper Tor am Haakengraben übrig geblieben. Die
beiden anderen Tore befanden sich im Westen an der Schiffbrücke mit dem
Brücktor und im Osten an der Hochtorstraße mit dem Hochtor. Der
Gründungsvorgang ist in der alten Stadtchronik in niederdeutscher
Fassung überliefert und lautet in hochdeutscher Übersetzung: „Der
ehrbare Fürst und seine Ratgeber halfen mit, die Straßen, Hausstätten,
den Kirchhof und Markt dieser Stadt anzulegen sowie den Befestigungsring
rundherum, und erbot den Einwohnern der Umgebung, dass sie den
Wallgraben mit aushoben, was sie auch taten.“ Danach gab der Graf den
Einwohnern seinen Brief, wonach sie alle und alle Nachkommen das lübsche
Bürgerrecht besitzen sollten.
Im Jahre 1344 wurde Auf dem Holm an der
Schiffbrücke vor der Stadt das Hospital zum Heiligen Geist nach dem
Vorbild des Heiligen Geist-Hospitals zu Lübeck errichtet. Es diente der
Aufnahme durchziehender armer und erkrankter Pilger, die auf dem Weg zum
Kloster Cismar waren, wo sie sich von den dortigen Reliquien
heilkräftige Wirkungen erhofften. Die ersten Bauten aus Lehmwänden auf
dem Hospitalgelände waren 1408 ein großes Herbergshaus sowie eine
kleinere, massive Saalkirche (Hospitalkirche), die heute noch existiert
und 1990 und 2005 umfangreich saniert wurde. Das Herbergshaus wurde 1627
durch Tillys Truppen schwer beschädigt und danach nicht wieder
aufgebaut. Das Hospital entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem
Armenhaus für Neustädter Bürger. 1418 richtete es auch ein „Sekenhus“
(Siechenhaus für arme und alte Leute) ein.
Im Jahre 1853 wurde auf dem Gelände des Hospitals ein Wohntrakt mit 21
Wohnungen für bedürftige Bürger durch Spenden Neustädter Bürger
errichtet, der heute noch existiert. Durch Zusammenlegung von jeweils
zwei Einzelwohnungen entstanden 1987 zehn modernisierte Wohnungen, die
heute noch von bedürftigen Bürgern der Stadt bewohnt werden. Eine
Wohnung wurde im ursprünglichen Zustand als Museum belassen. Die
Stadtentwicklung erlebte mehrere schwere Schicksalsschläge, 1350 wütete
die Pest; in den Jahren 1391, 1399, 1419 und 1425 brachen wiederholt
Feuer aus, die ganze Stadtbereiche zerstörten. 1623 brach erneut die
Pest aus.
Bereits zur Hansezeit stellte der Hafen von
Neustadt einen wichtigen Anlaufhafen für holländische und dänische
Schiffe dar. Schiffe der Hanse (universi mercatori hanseanum
theutonicae) liefen den Neustädter Hafen nur selten an, weil Neustadt
nicht zur Hanse gehörte, obwohl es lübsches Recht hatte. Dieses machte
die Stadt für holländische Kauffahrer und für die Vitalienbrüder
interessant, weil sie keine Stapelrechte beachten mussten. Die
Haupteinnahmequellen von kleinen Dörfern wie dem nur 15 Kilometer
entfernt gelegenen Grömitz waren die Landwirtschaft (gestützt durch das
Kloster Cismar) und die Fischerei. Auch leisteten Ortschaften wie
Grömitz einen bescheidenen Anteil an einem der Haupthandelsgüter –
gesalzener Hering in Fässern, der aus dem Neustädter Hafen exportiert
wurde. Seit 1474 besteht in Neustadt die älteste Fischerinnung
Deutschlands.
In einem Schreiben vom 26. Juli 1420 des
Lübecker Rats wurden die Neustädter beschuldigt, mit Seeräubern im Bunde
zu stehen, 200 Seeräubern Unterschlupf zu gewähren und die Schiffe der
Kaperer auszurüsten. In drei Tagen hätten die Seeräuber zehn Schiffe mit
hansischen Gütern erbeutet. Im September 1420 lag ein ausgeraubtes
Lübecker Schiff im Neustadter Hafen. Im Oktober 1509 wurde die Stadt von
Lübecker und Travemünder Seeräubern ausgeraubt.
Im Jahre 1623 wurde die Stadt erneut von der Pest heimgesucht. Dann,
1638, war der Beginn einer bedeutenden Werftkarriere am Standort
Neustadt (siehe Neustädter Schiffswerften), Berens und Marselis
erhielten am 27. Oktober 1639 vom dänischen König Christian IV. einen
Auftrag zum Bau mehrerer Kriegsschiffe für die dänische Marine. Der
große Holzbedarf für den Bau der Schiffe, ein mittelgroßes Kriegsschiff
benötigte 4000 ausgewachsene Eichenstämme, konnte durch das holzreiche
Hinterland von Neustadt gedeckt werden. Das größte an die dänische Krone
gelieferte Schiff war die 1649 ausgelieferte Frederik III (nach König
Friedrich III. benannt), die mit 86 bis 100 Kanonen bestückt und 500
Mann besetzt war.
Diese Entwicklung rief die schwedischen
Machthaber, die potentiellen Feinde der dänischen Krone, auf den Plan.
Während des Torstenson-Krieg von 1643 bis 1645 griffen die schwedischen
Truppen Neustadt im Frühjahr 1644 gegen den heftigen Widerstand der
Einwohner an, besetzten die Stadt und zerstörten die Werft. Die beiden
im Bau befindlichen Schiffe und die vielen Tausend gelagerten
Schiffsplanken nahmen die Schweden als Kriegsbeute mit und brachten sie
in die von den Schweden besetzte Stadt Wismar. Im Juli des Jahres wurden
die schwedischen Truppen von den Dänen gezwungen, Neustadt zu verlassen.
Die von der Stadt erbaute Schanze wurde vor Verlassen der Flotte
geschleift. Die Werft wurde kurz danach wieder aufgebaut und in Betrieb
genommen, 1647 wurde erneut ein Kriegsschiff an die dänische Krone
ausgeliefert. In den 1660er Jahren übernahm Claus Reimers den Schiffbau
und lieferte bis zu seinem Tod im Jahr 1671 weitere Schiffe nach
Dänemark. Für seine Verdienste für die Stadt wurde sein Name auf dem
großen Messingkronleuchter der Stadtkirche eingraviert. Seine Grabplatte
in der Hospitalkirche zeigt, dass er nur 51 Jahre alt geworden ist. Im
Jahre 1717 wurde das letzte Schiff an die dänische Krone ausgeliefert.
Während des Krieges musste Neustadt sechs Jahre
einen dänischen Kriegszoll zahlen. Von August 1675 bis 1679 musste die
Stadt Einquartierungs- und andere außergewöhnliche Kosten entrichten.
1711 kehrte die Pest mit verheerenden Folgen zurück. Während des
dänischen Krieges von 1713 bis 1720 wurde den verarmten Neustädtern
wieder ein hoher Kriegszoll abverlangt. 1750 war die Stadt wieder von
einem Großbrand betroffen.
Am 28. September 1817 brach erneut ein Feuer aus, das innerhalb von vier
Stunden das Rathaus, 129 Wohnhäuser und 128 Scheunen und Stallungen
zerstörte. Im Zuge des Wiederaufbaues wurde die Stadt in drei Quartiere
unterteilt: Brückstraßen-, Kremperstraßen- und Hochthorstraßen-Quartier.
Zu den öffentlichen Gebäuden zählten das Rathaus, das Kremperthor, das
Brückenthor sowie die Häuser des Gerichtsdieners, des Pförtners und der
Hebamme.
Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt
durch den Hafen und Getreidehandel einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Zwischen 1828 und 1834 wurden die Hafenanlagen erweitert, vertieft und
erneuert. Die Hauptgewerbe der Neustädter waren der Handel mit Korn, der
Ackerbau und zum Teil die Fischerei. Insbesondere nahm der Kornhandel
zu, bis zu 50.200 Tonnen im Jahr wurden ausgeführt. Das letzte
Seegefecht der Schleswig-Holsteinischen Erhebung vor dem Gefecht von
Idstedt fand am 20./21. Juli 1850 in der Neustädter Bucht statt. Dabei
sank das Schleswig-Holsteinische Kanonenboot Nr. 1 von der Tann. Nach
dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 kam Neustadt zunächst wie das gesamte
Holstein unter österreichische Herrschaft, 1866 an Preußen.
Am 31. Mai 1866 erhielt Neustadt einen Bahnanschluss, die Altona-Kieler
Eisenbahn-Gesellschaft (AKE) hatte die Eisenbahnstrecke von Neumünster
über Ascheberg nach Neustadt eröffnet. Neustadt/Pelzerhaken war Standort
des Nachrichtenmittelversuchskommandos seit 1923
(Nachrichtenmittelversuchsanstalt, kurz NVA) zur Entwicklung der
Funkmesstechnik (Radar). In der Zeit von 1964 bis 1992 diente der
Fernmeldeturm M in Neustadt/Pelzerhaken der Fernmelde- und
elektronischen Aufklärung durch den Marinefernmeldesektor 73. Von
Dezember 1944 bis zum 1. Mai 1945 befand sich in Neustadt das KZ
Neustadt in Holstein. Der Komplex wurde später in die
Provinzial-Nervenheilanstalt (heute AMEOS-Klinikum) eingegliedert.
Vor Neustadt wurden am 3. Mai 1945 das ehemalige
Fahrgastschiff Cap Arcona und die kleinere Thielbek mit Häftlingen des
KZ Neuengamme von alliierten Flugzeugen versenkt, eine der drei
schwersten Katastrophen der Seefahrt in der Geschichte. Die Bewohner der
Stadt selbst spielten in diesem Zusammenhang eine unrühmliche Rolle:
Häftlinge aus dem KZ Stutthof bei Danzig, die die SS mit Lastkähnen über
die Ostsee transportieren ließ, sollten ursprünglich ebenfalls auf die
Cap Arcona verschifft werden, wurden jedoch wegen Überfüllung des
Schiffs abgewiesen. Angesichts der militärischen Lage und des Vorrückens
britischer Vorauskommandos verließen die SS-Wachmannschaften die
Lastkähne. Die Schiffe trieben ans Ufer, wo sich die Häftlinge am frühen
Morgen des 3. Mai auf die Suche nach Nahrungsmitteln im Raum Neustadt
machten. Aufgeschreckte Neustädter Bürger, Angehörige der Kriegsmarine
sowie einer Versehrteneinheit und des Volkssturms trieben daraufhin in
der sogenannten „Sammelaktion“ die Häftlinge zusammen und erschossen
fast 300 von ihnen, darunter Frauen und Kinder. Die Übrigen wurden auf
das Schiff Athen gebracht, das am Marinehafenkai lag, wo etliche von
ihnen den Luftangriffen zum Opfer fielen. Der britische Stadtkommandant
gab nach Kenntnisnahme des Massakers Neustadt zur Plünderung frei – wohl
auch, um auf diese Weise die Versorgung der überlebenden Häftlinge der
Cap Arcona, der Athen und anderer Schiffe nicht selber organisieren zu
müssen.
1969 wurde der Stadt die Ehrenfahne des Ministerkomitees des Europarats
verliehen; Neustadt darf sich seitdem Europastadt nennen. Am 23.
September 2008 erhielt die Stadt den von der Bundesregierung verliehenen
Titel „Ort der Vielfalt“.
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