ALLGEMEINES

Die Germania Fluggesellschaft mbH war eine deutsche Linien- und Charterfluggesellschaft mit Sitz in Berlin und Basis auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Die bis dahin viertgrößte Fluggesellschaft Deutschlands beantragte am 4. Februar 2019 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und stellte in der folgenden Nacht den Flugbetrieb ein. Germania flog zuletzt von ihren Basen Ziele im Mittelmeerraum, auf den Kanaren und Balearen, Nord-, Ost- und Südosteuropa sowie im Nahen Osten an. Die Schweizer Tochter, Germania Flug AG, wurde von neuen Gesellschaftern übernommen und heißt ab Juni 2019 Chair.


GESCHICHTE ab 1978

Die Germania ging aus der Kölner Fluggesellschaft S.A.T. (Special Air Transport) hervor, die 1978 von türkischen Unternehmern gegründet worden war. Sie begann ihren Flugbetrieb mit Fokker F-27 und fügte 1980 drei Maschinen des Typs Sud Aviation Caravelle hinzu, die gebraucht von LTU erworben wurden. Bald wurde die Gesellschaft von dem Anwalt Hinrich Bischoff samt den drei Caravelle übernommen. Diese Flugzeuge wurden 1985 durch zwei gebrauchte Boeing 727-100 aus den Beständen der Hapag-Lloyd Flug ersetzt. Im Juni 1986 wurde die Germania Fluggesellschaft mbH gegründet und die Betriebsgenehmigung der SAT auf die Germania übertragen. SAT wurde als Gesellschaft zum Verleasen von Flugzeugen weitergeführt. Im Jahr 1987 kündigte Germania an, innerdeutsche Linienflüge anzubieten, erhielt jedoch keine Genehmigung des Bundesverkehrsministeriums. Stattdessen einigte man sich auf einen langfristigen Leasingvertrag mit der Lufthansa. Im selben Jahr wurden die ersten von insgesamt 13 Boeing 737-300 unter dem Firmennamen Germania in Betrieb genommen. Im Jahr 1992 wurde der operative und technische Firmensitz zum Flughafen Berlin-Tegel verlegt. Im selben Jahr erhielt Germania den Zuschlag für den „Beamten-Shuttle“ zwischen Bonn und Berlin, nachdem das Hauptgeschäft für viele Jahre der Charterflugdienst, unter anderem für TUI, Condor und Neckermann Reisen war. Im Jahr 1995 bestellte Germania zwölf Boeing 737NG. Mit der Auslieferung der ersten 737-700 (D-AGEM) am 11. März 1998 stellte die Besatzung der Germania mit dem direkten Flug vom Boeing-Werksgelände in Everett zum Flughafen Berlin-Tegel (ca. 8117 km) einen Weltrekord in der Klasse mit 60 bis 80 Tonnen Startgewicht auf. Seit 1998 wurden immer mehr Flugzeuge an andere Gesellschaften (unter anderem Hapag-Lloyd Express, dba, Maersk Air und Delta Air Lines) verleast, ebenfalls vermarktete Germania als erste deutsche Fluggesellschaft den Rumpf ihrer Flugzeuge als Werbefläche, geworben wurde unter anderem für Siemens und verschiedene Reiseanbieter.


GESCHICHTE ab 2001

Als nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 US-amerikanische Fluggesellschaften ihre Slots teilweise aufgaben, nutzte Germania die Gelegenheit und bot am 12. November 2001 zwischen Berlin-Tegel und Frankfurt am Main den ersten Linienflug unter eigener Verantwortung an. Im Jahr 2002 kaufte die Germania aus dem Besitz der Kreditanstalt für Wiederaufbau 19 Fokker 100 von US Airways, die sich unter Gläubigerschutz befand. Ab Juni 2003 war die Fluggesellschaft zwischenzeitlich unter der Marke Germania Express (auch gexx) als Billigfluggesellschaft tätig. Zum 28. März 2005 übernahm Germania 64 % der Anteile der dba. Die zwölf Fokker 100 wurden im Wet-Lease betrieben, gleichzeitig übernahm dba im Gegenzug 15 Strecken der Germania Express. Zunächst wurden keine Flüge unter dem Namen Germania mehr durchgeführt, weil sämtliche Flugzeuge an andere Gesellschaften verleast waren. Die Kapitalverflechtung zwischen dba und Germania wurde im Sommer 2005 wieder rückgängig gemacht, die Zusammenarbeit wurde aber auf 14 Fokker 100 erweitert.

Am 11. November 2005 starb der Gründer Hinrich Bischoff. Seine Anteile gingen an seine Ehefrau und seine vier Kinder, von denen drei ihre Anteile weiterveräußerten, so dass die Ehefrau Ingrid Bischoff und der Sohn Erik Bischoff gemeinsam die Anteilsmehrheit hielten. Bis 2008 flog Germania nur noch im Wet-Lease für Hapag-Lloyd Express (später TUIfly) und dba (später Air Berlin) und verkaufte nach und nach elf der Fokker 100. Anfang März 2008 wollte Air Berlin Germania vollständig übernehmen. Der Versuch scheiterte allerdings an den Erben Hinrich Bischoffs. Kurz darauf kündigte Air Berlin vorzeitig die noch bis 2010 laufenden Leasingverträge für acht Fokker 100 der Germania. Im Sommer 2008 nahm Germania erstmals wieder eigene Linienflüge auf. Statt einer geplanten Expansion mit elf neuen Zielen wurden im Oktober 2008 die letzten acht in der Flotte verbliebenen Fokker 100 ausgemustert. Im Frühjahr 2010 startete Germania nach rund zehn Jahren mit Flügen für TUI ihr Comeback als Ferienfluggesellschaft. Auf der ILA 2010 wurde eine Absichtserklärung zur Bestellung von fünf Airbus A319-100 im Rahmen einer Flottenmodernisierung unterzeichnet, diese wurde in der Folge in eine Festbestellung für drei A319-100 und zwei A321-200 umgewandelt. Im Februar 2011 wurde die erste von insgesamt acht A319-100 in die Flotte aufgenommen. Im Jahr 2011 kam es zur Gründung der Germania Technik Brandenburg (GTB) als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Germania. Im März desselben Jahres begann der Bau eines zukünftig gemeinsam mit Air Berlin genutzten Wartungshangars auf dem Gelände des neuen Flughafens Berlin Brandenburg. Am 23. September 2011 übernahm Germania Flynext, die zuvor seit Juni zwei Airbus A319-100 betrieben hatte. In der Folge wurde Flynext im Juni 2012 in Germania Express umbenannt.

Ab November 2011 führte Germania den Werksflugverkehr von Airbus zwischen den Produktionsstandorten Hamburg-Finkenwerder und Toulouse-Blagnac durch, den sie von OLT übernahm. Die beiden dafür eingesetzten Airbus A319-100 wurden ergänzend an den Wochenenden eingesetzt, um von Bremen aus Urlaubsziele anzufliegen. Im Rahmen der Flottenmodernisierung musterte Germania ihre letzte Boeing 737-300 aus. Ebenfalls 2012 kam es zur Gründung der gambischen Fluggesellschaft Gambia Bird im Rahmen der Erweiterung der Unternehmensgruppe Germania. Von Anfang 2013 bis zur Betriebseinstellung Ende 2014 betrieb Germania für Gambia Bird einen Airbus A319-100 auf Strecken von Banjul nach Barcelona und London-Gatwick sowie auf innerafrikanischen Strecken. Zum Ende des Sommerflugplans Ende Oktober 2013 wurde das langjährige Wetleasing mehrerer Maschinen für Air Berlin beendet und die Flugzeuge fortan wieder im eigenen Streckennetz eingesetzt. Im November 2013 erhielt Germania den ersten von zwei Airbus A321-200, der exklusiv für Alltours und auch im Corporate Design von Alltours eingesetzt wird. Im Jahr 2014 gründete Germania in Kooperation mit Hotelplan eine Schweizer Tochtergesellschaft mit dem Namen HolidayJet mit Basis auf dem Flughafen Zürich; der Flugbetrieb startete am 26. März 2015. Bereits im Sommer 2015 kündigte Hotelplan die Zusammenarbeit mit Germania. Im Herbst stellte Hotelplan die Zusammenarbeit mit Germania ein und HolidayJet wurde in Germania Flug umbenannt.


GESCHICHTE ab 2016 / Insolvenz

Am 12. Juli 2016 bestellte Germania bei Airbus 25 A320neo mit einer Option für weitere 15 Maschinen, die ab 2020 ausgeliefert werden sollten. Dadurch wurde eine einheitliche Flotte der A320-Familie angestrebt. Im Jahr 2017 wurde eine bulgarische Tochtergesellschaft speziell für das Geschäftsfeld Wet-Leasing gegründet. Die Gesellschaft Bulgarian Eagle verfügte über ein eigenes Air Operator Certificate und betrieb mit Stand Februar 2019 zwei Airbus A319-100 für Germania. Im Jahr 2018 wurde das Streckennetz der Germania bestärkt durch die Insolvenz von Air Berlin um über 50 Strecken ausgebaut und die Kapazität um 39 % gesteigert. Dazu sollte die Flotte der Germania Gruppe im Laufe des Jahres durch insgesamt zehn Airbus A319-100 sowie zwei ehemalige Air Berlin Airbus A321-200 erweitert werden, weiterhin sollten die Maschinen vom Typ Boeing 737-700 die Flotte bis zum Beginn der Sommersaison 2019 verlassen. Im Juli 2018 unterschrieb Germania eine Absichtserklärung über den Kauf eines Grundstücks am Flughafen Berlin Brandenburg, um dort auf 16.400 m² den neuen Hauptsitz der Airline zu bauen. Mit der Eröffnung des Flughafens sollte dann auch der Umzug in die neue Zentrale vollzogen werden.

 Anfang Januar 2019 teilte Germania mit, dass ein „kurzfristiger Liquiditätsbedarf“ bestehe. Auch ein Verkauf der Gesellschaft werde geprüft. Am 31. Januar wurden die Mitarbeiter darüber informiert, dass aus diesem Grund die Gehälter nicht pünktlich ausbezahlt werden können.Am 4. Februar 2019 meldeten die Germania Fluggesellschaft GmbH und ihre zwei Tochtergesellschaften Germania Technik Brandenburg GmbH und Germania Flugdienste GmbH beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz an, nachdem die Finanzierungslücke nicht hatte geschlossen werden können. Der Flugbetrieb wurde in der Nacht zum 5. Februar 2019 eingestellt. Das Luftfahrt-Bundesamt hatte die Airline zuletzt am 5. Dezember 2018 auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft. Daraufhin wurde am 26. Februar 2019 auch für die Muttergesellschaft Germania Beteiligungsgesellschaft mbH und die Schwestergesellschaft Germania Reisen GmbH ein Insolvenzantrag gestellt, bevor Anfang März schließlich auch die hundertprozentige Tochtergesellschaft Bulgarian Eagle Insolvenz anmeldete. Ende März scheiterte eine mögliche Übernahme der Germania Fluggesellschaft durch Investoren endgültig, daraufhin wurde die Abwicklung im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingeleitet und den noch verbliebenen Mitarbeitern gekündigt. Seit Mitte März 2019 ermittelt das Amtsgericht Charlottenburg gegen Airline-Chef Karsten Balke wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung und Betrug. Es wird vermutet, dass Tickets auch noch verkauft wurden, als die Airline bereits zahlungsunfähig war. Die Tochtergesellschaft Germania Flug AG wurde Mitte Februar von der schweizerischen Unternehmerin und Air-Prishtina-Chefin Leyla Ibrahimi-Salahi übernommen.


TOCHTERGESELLSCHAFTEn / vorgänger

Die Schweizer Tochter, Germania Flug AG, wurde von neuen Gesellschaftern übernommen und heißt ab Juni 2019 Chair.

      

Gambia Bird wurde 2012 gegründet und nahm den Flugbetrieb am 22. Oktober 2012 auf der Route von Banjul nach Dakar auf. Die Fluggesellschaft bot Verbindungen innerhalb Westafrikas und nach Europa an. Gambia Bird war zu 90 % im Besitz der deutschen Fluggesellschaft Germania. Das Management als auch das Personal kamen größtenteils aus Deutschland. Gambia Bird stellte den Flugbetrieb am 30. Dezember 2014 mit sofortiger Wirkung ein. Als Begründung wurde der Rückgang von Buchungen sowie der Ausbruch der Ebolafieber-Epidemie genannt. Als Konsequenz der Betriebseinstellung musste die Germania rund 20 Millionen Euro abschreiben und geriet dadurch in finanzielle Schieflage. Nach deren Insolvenz im Jahr 2019 leitete der Insolvenzverwalter Ermittlungen gegen die ehemalige Geschäftsführung aufgrund umstrittener Aktivitäten rund um Gambia Bird ein. Gambia Bird bediente von ihrer Basis auf dem Banjul International Airport hauptsächlich Ziele im westafrikanischen Raum. Ab dem 24. Oktober 2012 wurde in Europa regelmäßig London, und ab dem 28. Oktober 2012 auch Barcelona angeflogen. Für die Zukunft waren Flüge nach Lagos und Douala geplant gewesen, für die aber bis zum Einstellen des Flugbetriebs keine Genehmigung der Behörden vorlag. Aufgrund der Ebolafieber-Epidemie stellte Gambia Bird am 27. August die Flüge nach London ein. Am 22. Oktober 2014 wurde zudem bekannt, dass das britische Transportministerium Gambia Bird die Lizenz für Flüge nach London entzog Die Flüge der Gambia Bird wurden von Flugzeugen der Germania Express im Wetlease durchgeführt. Auch die Wartung des Fluggerätes übernahm Germania Technik in Berlin. Als der Flugbetrieb Ende 2014 eingestellt wurde bestand die Flotte aus einem Airbus A319-100, geplant war der Einsatz eines Airbus A321-200, der aber nicht mehr zum Einsatz kam.

   

Die S.A.T. Fluggesellschaft mbH (kurz für: Special Air Transport) war eine von türkischen Unternehmern im Jahr 1978 gegründete Fluggesellschaft mit Sitz in Köln. Sie begann ihren Flugbetrieb mit Fokker F-27 und fügte 1978 und 1979 drei Maschinen des Typs Sud Aviation Caravelle hinzu, die gebraucht von LTU erworben wurden. Im Jahr 1979 wurde die Gesellschaft von dem Anwalt Hinrich Bischoff samt den drei Caravelle-Flugzeugen gekauft, im Juni 1986 die S.A.T.-Flugbetriebsgenehmigung auf die Germania übertragen und die S.A.T.-Flugzeuge in die Flotte der Germania integriert. Unterdessen wurde die nun ehemalige Fluggesellschaft S.A.T als Gesellschaft zum Verleasen von Flugzeugen weitergeführt. Im Jahr 2017 fusionierte die S.A.T. mit der Germania und ging als Konzernmutter unter dem Namen Germania Beteiligungsgesellschaft mbH in dieser auf.


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