Weimarer Republik


Allgemeines

Am 16. März 1919 fanden die ersten freien demokratischen Bürgerschaftswahlen statt. Die SPD erreichte dabei 50,5% der Stimmen. Werner von Melle wurde zum Ersten Bürgermeister und Präsidenten des Senats gewählt. Schon am 28. März beschloss die neue Bürgerschaft die Gründung einer Volkshochschule sowie der Universität Hamburg. Das bereits 1911 fertiggestellte Vorlesungsgebäude des traditionsreichen allgemeinen Vorlesungswesens wird Sitz der Lehranstalt. Im neuen Reichsrat hatte die Hansestadt zwei Stimmen. Im Juni 1919 ereignen sich die Sülzeunruhen, im Oktober 1923 findet der Hamburger Aufstand statt. Anders als im Reichsgebiet war die Hamburger Landesregierung in der Weimarer Zeit stabil, was darauf zurückgeführt wird, dass einerseits die bürgerlichen Parteien von der SPD stets an der Regierung beteiligt wurden, andererseits war die Hamburger SPD durch den engen Kontakt zu den Gewerkschaften in Hamburg eher pragmatisch als radikal ausgerichtet. Bei den Bürgerschaftswahlen am 27. September 1931 bekam die NSDAP 26,3% der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft hinter der SPD mit nur noch 27,8%. Der Senat erklärte nach der Niederlage seinen Rücktritt, verblieb aber bis März 1933 geschäftsführend im Amt, da trotz einer weiteren Wahl im Jahr 1932 keine Regierungskoalition zustande kam.


"sülzeunruhen"

Die Sülzeunruhen, auch als Hamburger Sülzeaufstand bekannt, ereigneten sich im späten Juni 1919 in Hamburg. Auslöser war die Annahme der Bevölkerung, dass verfaulte Kadaver zu Sülze verarbeitet und verkauft würden. In Folge der Unruhen marschierten Reichswehr und Freikorps in die Hansestadt ein. In Hamburg war die politische Stimmung im Juni 1919 gespannt: die Ereignisse und Spannungen der Novemberrevolution wirkten noch nach, die Bayerische Räterepublik war kurz zuvor blutig zerschlagen worden. Während die Arbeiter um die Errungenschaften der Revolution fürchteten und sich einer bewaffneten Konterrevolution ausgesetzt fühlten, sorgten sich Bürgertum und Handel um die öffentliche Sicherheit und fürchteten Aufstand und Anarchie.

Der Konflikt brach in Hamburg aus, als am 23. Juni 1919 ein Fass mit verfaulten Kadavern vor der Fleischwarenfabrik Heil in der Kleinen Reichenstraße zerbrach. Die zusammengelaufene Menge mutmaßte, die Kadaver würden in der Fabrik zu Sülze verarbeitet und stürmten das Gelände, wo sie weitere Kadaver von Ratten, Hunden und Katzen fanden. Da in der Fabrik aber auch, der Menge unbekannt, Abfälle für Leimfabriken gesammelt wurden, war dies kein sicheres Zeichen für den Verdacht. Der Fabrikbesitzer selbst wurde in die Kleine Alster geworfen und entging so einer möglichen Lynchjustiz. In den folgenden Tagen durchsuchten Menschenmengen verschiedene andere Fleischfabriken und fanden viele Anzeichen für Fleischpanschereien. Die Unruhen breiteten sich über die Stadt aus und griffen auch auf das benachbarte Altona über, nicht nur die Fabrikbesitzer, sondern auch staatliche Stellen, die der Komplizenschaft beschuldigt wurden, wurden Opfer gewalttätiger Angriffe. Zu einem Schusswechsel und zu einer Belagerung kam es am Rathausmarkt. Nachdem dort ein „Pranger“ für verschiedene Beschuldigte aufgestellt wurde, versuchte die Rathauswache einzugreifen. Schüsse fielen, eine in der Arbeiterschaft verhasste Zeitfreiwilligen-Abteilung marschierte auf. Weitere Schüsse fielen, eine Handgranate explodierte, das Rathaus wurde belagert. Während sich die Lage in der Stadt von alleine wieder beruhigte, wurde die weitere Gewalt von außen in die Stadt hineingetragen.

In den folgenden Tagen erklärte Reichswehrminister Gustav Noske die Reichsexekution und beauftragte den späteren Teilnehmer des Kapp-Putsches, Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck, die Unruhen niederzuschlagen. Als Reichswehr-Truppen am 27. Juni in die mittlerweile wieder weitgehend ruhige Stadt einmarschierten, konnten die Soldaten zur Umkehr überredet werden, als ihnen die tatsächliche Lage in Hamburg geschildert wurde. Am 1. Juli 1919 jedoch marschierten Reichswehr- und Freikorps-Truppen, darunter auch Freiwilligenverbände aus Altona, in die Stadt ein. Sie besetzten die Arbeiterwohnviertel und verhielten sich wie in besetztem Feindesland. Vielerorts hissten sie die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreichs, Arbeiter und Funktionäre wurden oft unter willkürlichen Anschuldigungen verhaftet und misshandelt, die Freikorps machten großzügigen Gebrauch von ihren Schusswaffen, um „Plünderer und Heckenschützen“ niederzustrecken, zudem galt in den Vierteln eine „Schnelljustiz“ durch die Truppen.

Langfristig führte der Aufstand zu einer Neuverteilung der militärischen Machtverhältnisse in der Stadt. Während einerseits die noch aus Revolutionszeiten stammende „Volkswehr“ aufgelöst wurde, wurden die bürgerlichen und oft republikfeindlichen Zeitfreiwilligenverbände und Einwohnerwehren gestärkt. Zusätzlich wurde eine militärisch ausgestattete und teilweise kasernierte Sicherheitspolizei, deren Mitglieder sich zu einem großen Teil aus ehemaligen Berufssoldaten und Freikorpsangehörigen zusammensetzten, geschaffen. Heute erinnert eine Plakette im Hamburger Rathaus an die Unruhen und ihre Folgen dieses frühen Lebensmittelskandals.


"hamburger aufstand"

Der Hamburger Aufstand von 1923 war ein von der militanten Sektion der KPD in Hamburg, der KP Wasserkante, am 23. Oktober 1923 begonnener Aufstand. Der Versuch war unter militärischen Gesichtspunkten aussichtslos und endete bereits in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober. Es wurden 24 Polizeireviere gestürmt (17 in Hamburg, sieben in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein). Während des Aufstandes starben über 100 Menschen. Die genauen Details sowie die Einschätzung der Auswirkungen des Aufstandes sind bis heute umstritten.

Hintergrund des Aufstands war die Krise der Weimarer Republik. In dieser Zeit kam es zu zahlreichen militanten Auseinandersetzungen. Während sich 1923 die wirtschaftliche Lage der Menschen rapide verschlechterte, unter anderem durch die ihrem Höhepunkt entgegenstrebende Hyperinflation, gewann die KPD an Zulauf. Die Ruhrbesetzung hatte die politische Auseinandersetzung in Deutschland weiter radikalisiert. Im August fand ein deutschlandweiter Streik gegen den amtierenden Reichskanzler Wilhelm Cuno statt. Ende September verhängte die Reichsregierung den Ausnahmezustand über die Republik. Am 1. Oktober kam es zum Küstriner Putsch der Schwarzen Reichswehr. Am 13. Oktober verabschiedete der Reichstag ein Ermächtigungsgesetz, das laut Initiator Gustav Stresemann eine legale Diktatur ermöglichen sollte. In Hamburg stürmte eine Demonstration mehrerer tausend Arbeitsloser die Bannmeile um das Rathaus, was zu dieser Zeit noch mit akuter Lebensgefahr verbunden war. In Sachsen und Thüringen bildeten sich Mitte Oktober Koalitionsregierungen unter Einschluss der KPD, was diese als Möglichkeit zur Machtübernahme ansah.

Die Haltung zu einem bewaffneten Aufstandsversuch in Deutschland war innerhalb der kommunistischen Bewegung umstritten. Während einflussreiche Mitglieder der Komintern mit dem Gedanken liebäugelten, war die deutsche KP-Führung gegen einen Aufstand. Die genauen Beweggründe der kleinen Hamburger Gruppe unter Hugo Urbahns und Hans Kippenberger, die den Aufstand plante, ist bis heute nicht vollkommen geklärt. Wahrscheinlich wollte dieser die deutsche KP-Führung durch seinen Anfang zur Aktion zwingen.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober erhielten die militärischen Leiter der KP Wasserkante Einsatzbefehle durch die regionale Führung. Um 5 Uhr morgens begann der Sturm auf die Polizeireviere, um den eklatanten Mangel der Aufständischen an Waffen zu beheben. Obwohl die KPD in Hamburg zu dieser Zeit etwa 14.000 Mitglieder im Gebiet hatte, nahmen nur etwa 300 aktiv am Aufstand teil. Es gelang ihnen, insgesamt etwa 250 Gewehre zu erbeuten. Neben Hamburg waren Altona und der Kreis Stormarn Schauplatz des Umsturzversuches. So wurden die Polizeidienststellen in den stormanischen Gemeinden Bramfeld und Schiffbek überfallen und die Dienstwaffen erbeutet. In Bad Oldesloe, Ahrensburg und Rahlstedt wurden Eisenbahn- und Straßenblockaden durchgeführt. In Bargteheide wurde der Gemeindevorsteher von den Aufständischen festgenommen und eine "Sowjetrepublik Stormarn" ausgerufen.

Bis auf Barmbek, Eimsbüttel und den stormanischen Ort Schiffbek waren die Aufstandsversuche innerhalb weniger Stunden niedergeschlagen. Einzig in Barmbek, in dem bei der vorigen Wahl etwa 20% der Wähler für die KPD gestimmt hatten, erhielten die Aufständischen Unterstützung aus der Bevölkerung, die sich beim Barrikadenbau beteiligte und die Aufständischen mit Lebensmitteln versorgte. Hier konnten sie sich unter dauernden Schusswechseln den Tag über halten. Nachts verließen sie, von der Aussichtslosigkeit der Lage überzeugt, heimlich ihre Stellungen, so dass der Großangriff der Hamburger Polizei am nächsten Tag ins Leere lief.

Der Aufstand forderte insgesamt mindestens 100 Todesopfer und mehr als 300 Verwundete. 17 der Toten waren Polizisten, 24 Aufständische und 61 unbeteiligte Zivilisten. 1400 Personen wurden festgenommen. Der größte Prozess gegen insgesamt 191 Aufrührer fand ab Februar 1925 im Landgericht Altona wegen der Schiffbeker Unruhen statt. Langfristig trug der Aufstand maßgeblich dazu bei, das Klima zwischen den beiden Arbeiterparteien zu vergiften. Die Sozialdemokraten weigerten sich in Folge der Aufstände, mit der KPD zusammenzuarbeiten. Zudem verstärkten sie, sofern in Regierungspositionen, die Repressionen gegen die KPD, was die Ablehnung von Republik und SPD durch die KP verstärkte. Innerhalb der KPD selbst wurde besonders nach der Wahl des Aufstandsführers Ernst Thälmann zum Vorsitzenden der Partei ein Heldenmythos um den Aufstand produziert, der besonders auf die kleine Zahl, den aussichtslosen Kampf und den Heldenmut der Aufständischen setzte. Die innerhalb der Partei vorherrschende Deutung deutete die Niederlage vor allem als Folge der zu wenig zentralisierten und zu wenig auf Parteigehorsam ausgerichteten Parteistrukturen, die folgerichtig gestärkt werden mussten.

Teile des bürgerlichen Lagers sahen ihre Ängste vor Bolschewismus und Revolution bestätigt und setzten stärker auf eine antidemokratische Reaktionspolitik. Infolgedessen konnte die Deutschnationale Volkspartei ihren Stimmenanteil bei den Reichstagswahlen 1924 in Hamburg von 12 auf etwa 20 Prozent steigern, fiel jedoch 1928 wieder auf etwa 12 Prozent zurück


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