Auslöser
war das Sturmtief Vincinette über dem südlichen Nordpolarmeer, das in
Richtung Deutsche Bucht zog. Am Donnerstag, dem 15. Februar, wurde
um 21 Uhr erstmals eine Sturmwarnung für die Nordsee mit Stärke 9
über Norddeich-Radio gesendet und die Sturmsignale in Küstenhäfen
gesetzt. In den späten Abendstunden wurde eine starke Windzunahme an
der gesamten deutschen Küste beobachtet. Am 16. Februar erreichte
das Sturmfeld des von Island aus über das Europäische Nordmeer nach Südschweden
ziehenden Orkantiefs die Nordsee.
In den Seegebieten der nördlichen
Nordsee traten Windgeschwindigkeiten jenseits des Messbereiches der
damaligen Windmessgeräte auf. Infolge des Sturmes gerieten zahlreiche
Schiffe in der Nordsee in Seenot und funkten SOS, im Binnenland waren
bereits am Mittag erste Todesopfer zu beklagen. Am Mittag des 16. Februar
wurde dann die deutsche Nordseeküste von einer ersten Sturmflut
heimgesucht, die in den Strom- und Flussgebieten von Ems, Weser und Elbe
sowie deren Nebenflüssen die von Sommerdeichen umgebenen Speicherpolder
füllte.
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In den Mittagsstunden drehte der Sturm auf nordwestliche
Richtungen und nahm weiter zu, so dass bei der dem Mittagshochwasser
nachfolgenden Ebbe das Wasser nur unwesentlich fiel. In Bremen und
Hamburg entsprach das gegen 20 Uhr eintretende Niedrigwasser etwa
dem normalen Tidehochwasser. In den Abendstunden verschärfte sich nach
dem Durchzug der Kaltfront des Tiefs in der nun einströmenden sehr
labilen Kaltluft polaren Ursprungs die Wetterlage dramatisch.
Mit
Durchzug eines Höhentrogs nahm der Wind aus nordwestlichen Richtungen
auch im küstennahen Binnenland noch einmal stark zu, gleichzeitig
traten vermehrt Gewitter- und Graupelschauer auf. Infolgedessen wurde
die bisher bestehende Sturmflutwarnung des Deutschen Hydrographischen
Institutes deutlich verschärft. Statt einer Erhöhung des
Nachthochwassers an der deutschen Nordseeküste von etwa 2,5 bis 3 m
wurde nun von einer Erhöhung von 3, später von 3 bis 3,5 m
gewarnt, dies allerdings ausschließlich über den Rundfunk, nicht über
das Fernsehen.
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In
den Flüssen wurde bereits in den späten Abendstunden ein sehr starkes
Ansteigen der Wasserstände beobachtet. Gegen 21 Uhr mussten die Fähren
an der Unterweser und Unterelbe ihren Betrieb einstellen. Erst zu diesem
Zeitpunkt erkannte man bei den zuständigen Behörden in Hamburg die
drohende Gefahr. Gegen Mitternacht wurden vielerorts die Kronen der noch
nicht erhöhten Deiche erreicht und überströmt, wenig später brachen
an der Elbe im Alten Land und in Hamburg die ersten Deiche an der Süderelbe.
Infolge
massiver Störungen der Kommunikationsverbindungen war es nicht möglich,
genaue Hinweise über das Ausmaß der Katastrophe in Hamburg zu bekommen
und Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen noch während der Katastrophe
in koordinierter Form durchzuführen. Der
spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt koordinierte als Hamburger
Polizeisenator die Rettungsmaßnahmen. Noch in den
Nachtstunden vom 16. auf den 17. Februar eilte er von einer Sitzung
der Landesinnenminister in Berlin zurück nach Hamburg und übernahm in
den frühen Morgenstunden die Koordination der Rettungsmaßnahmen.
Nach
den bis dahin eingegangenen Meldungen war zu befürchten, dass die
Sturmflut allein in Hamburg mehrere tausend Tote gefordert habe bzw.
fordern würde, wenn nicht schnellstmöglich auch militärische Hilfe in
Anspruch genommen werde. Da Helmut Schmidt zuvor als Abgeordneter des
Bundestages mit Verteidigungsangelegenheiten befasst war und die meisten
Kommandierenden der NATO persönlich kannte, konnte er noch am Morgen
des 17. Februar, obwohl verfassungsrechtlich nicht dazu befugt,
NATO-Streitkräfte und hier insbesondere Pioniertruppen mit Sturmbooten
sowie 100 Hubschrauber der Bundeswehr und der Royal Air Force anfordern,
welche die ca. 25.000 zivilen Helfer u.a. des Deutschen Roten Kreuzes,
des Technischen Hilfswerkes und der schon seit Beginn der Katastrophe im
Dauereinsatz befindlichen Feuerwehren unterstützten.
Zum
Gedenken der Flutopfer fanden sich nach offiziellen Schätzungen über
150.000 Menschen am 26. Februar 1962 auf dem Hamburger Rathausmarkt
zu einer großen Trauerfeier ein. Bundespräsident Heinrich Lübke und
weitere Vertreter des Bundes und der Länder bekundeten ihre
Anteilnahme. In einer Rede gedachte der damalige Erste Bürgermeister
Paul Nevermann der Toten und dankte den Helfern. Für eine
Schweigeminute ruhte jeglicher Verkehr im westlichen Norddeutschland.
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