GUMPOLDSKIRCHEN


Gumpoldskirchen

Der Weinort Gumpoldskirchen, rund 20 km südlich von Wien an der klimatisch begünstigten Thermenlinie, wird erstmals in einer Urkunde von 1140 erwähnt, ist aber zweifellos älter. Zahlreiche Funde lassen sogar auf eine Besiedlung des Ortsbereiches in vorgeschichtlicher Zeit schließen. Der stimmungsvolle Ortskern mit seinen Renaissance-Höfen und dem arkadengeschmückten Rathaus stammt im wesentlichen aus dem 16.Jahrhundert. Diegotische Pfarrkirche St.Michael wird vom Deutschen Orden betreut. Sie hat ein würdiges Gegenstück in der Johanneskapelle zu Thallern. Der Weinort Gumpoldskirchen hat immer Saison. Das ganze Jahr über laden die grünen Buschen zum Heurigen ein, zweimal im Jahr gibt es überdies große Weinfeste: Im Juni in der Neustiftgasse, im August in der Wienerstraße. Mit letzterem ist auch eine Spitzenweinkost verbunden, bei der sich alte und neue Freunde des weltbekannten "Gumpoldskirchners" treffen. Bekannte Rebsorten, die hier gezogen werden, sind der Zierfandler, der Rotgipfler sowie der Frührote und der Grüne Veltliner. Nicht zuletzt auch der Neuburger, der durch seinen milden Geschmack auszeichnet.


Geschichte

  • Es waren Steinzeitmenschen, die sich vor etwa 6500 Jahren hier niedergelassen haben. Unterhalb der heutigen Kirche muss ihre kleine Siedlung gelegen haben, wie jüngste Funde ans Tageslicht gebracht haben. Weitere Funde gibt's aus der Römerzeit, und zwar ein paar Münzen und eine Bestattung. Diese Funde bestätigen die Vermutungen einiger Archäologen, dass an Gumpoldskirchen eine befestigte Römerstraße vorbeigeführt hat. Der Pranger vor dem Rathaus ist vermutlich eine alte römische Wegsäule.

  • Erwähnt wurde der Ort das erste Mal 1140. An den Osthängen des Anningers wurde aber bereits in vorgeschichtlicher Zeit Wein angebaut. Der Name leitet sich von Gumpold von Passau ab. Bereits im 14. Jh. wird Gumpoldksirchen Markt und Gerichtsstandort. Das zeigt auch die Schranne mitten im Ort.

  • Litt der Ort bereits unter der ersten Türkenbelagerung, so war ein wirtschaftlicher Niedergang nach dem dreißigjährigen Krieg zu bemerken. Zwischen den beiden Kriegen entstanden das Rathaus (1559) und viele andere Bürgerhäuser, die noch heute stehen.

  • 1763 verkauft Kaiserin Maria Theresia den Ort an den Freiherrn von Moser.

  • Im 19. Jahrhundert kam es zur Reblaus-Katastrophe. Die Reblaus wurde aus aus Nordamerika eingeschleppt, und breitete sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa aus. Auch Gumpoldskirchen litt unter der Invasion der Reblaus, und sie wurde schnell zum Mythos. Im Jahr 1884 sind sämtliche Weinkulturen zerstört.

  • Ende des 18. Jh. begann auch hier die Industrialisierung. Es entstand eine Knopffabrik und ein Seidenfilatorium. Auch eine Lederfabrik und eine Bleiwarenfabrik entstanden im 19. Jahrhundert. Diese Firmen arbeiteten zum Teil bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute existiert aber keine dieser Fabriken mehr. Die Lederfabrik musste nach einem Umweltskandal in den 80er Jahren zusperren. Lebensgefährliche Abgase wurden so gut wie ungefiltert aus den Schornsteinen gelassen, undichte Fässer mit Chemikalien lagerten im Erdreich etc. Erst durch den enormen Druck der Bevölkerung wurde das Werk geschlossen, nachdem es durch ein Umwelt-Gutachten als "sehr lebensbedrohlich bis tödlich" eingestuft wurde. Zirka 1.254 Menschen starben an den Folgen dieses Umweltskandals.

  • Auch der Wiener Neustädter Kanal trug zu seiner Zeit zu der wirtschaftlichen Entwicklung Gumpoldskirchens bei, der in der Folge durch den Bau der Südbahn, die 1841 eröffnet wurde, fortgesetzt wurde. Im Zuge des Bahnbaues wurde auch der erste österreichische Bahntunnel mit einer Länge von 156 m gebaut. Ugs. wird dieser noch heute als „Busserltunnel“ bezeichnet. Diesen Beinamen erhielt er, da es früher nicht möglich war, in der kurzen Durchfahrtszeit des relativ kurzen Tunnel, das Licht in den Waggons einzuschalten.

  • Nach dem Anschluss Österreichs 1938 wurde der Ort in die Stadt Groß-Wien zum 24. Bezirk eingemeindet. Erst 1954 wurde der Ort wieder eigenständig und fiel wieder an Niederösterreich zurück.

  • Im Zuge des 2. Weltkrieges kam es in den ersten Apriltagen 1945 im Raum Gumpoldskirchen - Guntramsdorf zu schweren Kämpfen zwischen Teilen der deutschen 6. SS-Panzerarmee unter Sepp Dietrich und der sowjetischen Dritten Ukrainischen Front unter Marschall Tolbuchin. Nach dem überraschenden Einbruch Tolbuchins ins südliche Wiener Becken am 1. April wurde in der Nacht zum 2. April die 2. SS-Panzerdivision vom Raum Neusiedler-See in den Süden Wiens verlegt und errichtet eine Widerstandslinie, die von Gumpoldskirchen über Guntramsdorf und Laxenburg bis Moosbrunn reichte. Da Tolbuchin seine Truppen vom 2. bis 4. April zur Westumfassung von Wien und zum Generalangriff von Süden her umgliederte, blieb Gumpoldskirchen vom 2. bis 5. April Frontgebiet und erlitt vor allem durch sowjetischen Beschuss schwere Schäden.

  • 1985 sorgte der von den heimischen Medien forcierte Glykolwein-Skandal für Prestige- und Umsatzeinbrüche. Die strengere Weingesetzgebung zwang viele Weinhauer zum Umdenken, was der Qualität der heimischen Produkte durchaus zuträglich war.


Kirche und Schloss

Der Komplex, die Pfarrkirche St.Michael und das Schloss des Deutschen Ordens, erhebt sich an der Stelle einer babenbergischen Burgkirchenanlage. Das Schloss war bis zum Umbau im Jahre 1931 ein trutziger Vierkanter mit Ecktürmen und einem rechteckigen Innenhof (Kern aus dem 14. und 15. Jhd.!). Durch die Erhöhung um ein Stockwerk und die Neugestaltung der Fassaden wirkt es heute weniger wehrhaft. An der Bergseite stehen noch die mittelalterlichen Wehrmauern mit einem halbrunden Turm. Der jetzige Wehrgraben vor der Kirche wurde 1537 unter dem Eindruck des Türkeneinfalles von 1529 angelegt. Ursprünglich erstreckte er sich auch vor der Ostseite des Schlosses. Innerhalb des Grabens befand sich der Friedhof. Der Zugang zu ihm war durch ein Tor an der Brücke abgesichert. Auf dem Brückengeländer steht eine barocke Statue des Hl. Johannes Nepomuk, sowie ein gotisches Ölbergrelief, links vor der Brücke, Sandstein um 1430. Die Pfarrkirche zum Hl.Michael repräsentiert in harmonischen Formen den landläufigen Typus der gotischen Hallenkirchen mit drei gleich hohen Schiffen. Der Baubeginn und der Abschluss der Arbeiten lassen sich nicht exakt ermitteln. Beide fallen wohl in die erste Hälfte des 15.Jhd. Der Turm, dessen Untergeschoss einst offen war, scheint an die bereits vollendete Kirche angebaut worden zu sein.


Rathaus

Der bürgerliche Renaissance-Bau wurde auf Initiative des Marktrichters Mang Kharner und vom ortsansässigen Maurermeister Anton Preiner erbaut. Preiner schuf einen Repräsentationsbau, der mit den Bogenstellungen der Arkaden seine ganze, fast unbeschwerte Schönheit nach außen hin darbietet - man findet mehrstöckige Arkaden nur in den Höfen von Klöstern und Schlössern. Typisch nordisch am Rathaus ist der ungemein kühn angesetzte Turm. Das Turmmotiv findet sich überall bei den zeitgenössischen Rathäusern Deutschlands. Es manifestiert das Selbstwertgefühl des aufstrebenden Bürgertums gegenüber kirchlichen Ansprüchen. Besichtigung der herrlichen Pfeilerhalle im ersten Stock ist während der Amtsstunden möglich.


Pranger

Der Pranger, unmittelbar an der Südostecke des Rathauses, wurde 1563 (Jahreszahl eingemeißelt) aufgerichtet. Die Pranger, zumeist noch immer falsch beurteilt, waren nicht nur Schandpfähle, an denen Übeltäter zur Strafe festgekettet wurden, sondern waren darüber hinaus Sinnbilder des Marktrechtes und Kennzeichnung des Ortsmittelpunktes.


Freigut Thallern

Thallerns überregionale Bekanntheit beruht nicht nur auf dem vorzüglichen Ruf seiner Gaststätte und seiner Kellereien. Im turmgekrönten Hauptbau befindet sich eine spätgotische Kapelle mit einem berühmten Altar aus der Barockzeit. Sein Schöpfer ist vermutlich der Heiligenkreuzer Bildhauer Giovanni Giuliani oder einer seiner besten Mitarbeiter (18.Jhd.)


Bergerhaus

Das im 16. Jahrhundert erbaute Bergerhaus am Schrannenplatz ist in Gemeindebesitz und steht regelmäßig für Ausstellungen und Vernissagen zur Verfügung. Viele zeitgen. Künstler stellen hier das ganze Jahr über aus.


Schwarzer Adler

Das Gasthaus "Schwarzer Adler" ist ein altes Wirtshaus, welches jahrzehntelang leer stand und immer mehr verfiel, bis es in den 90er Jahren originalgetreu renoviert wurde. Zusätzlich finden dort Kulturveranstaltungen wie Lesungen, Konzerte, Kabarett oder Kino unter Sternen statt. Webseite: HIER


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