Bereits die Römer nutzten den breiten,
topographisch einfachen Passübergang. Der noch bis ins späte
Mittelalter benutzte Weg führte etwa einen Kilometer östlich der
heutigen Passstraße am Fuß des Piz Uccello (dt. Vogelhorn)
entlang. Verstärkte Rodungen erhöhten das Lawinenrisiko. Um vom
im 15. Jahrhundert zunehmenden Transitverkehr – die Straße durch
die Viamala wurde nach 1473 ausgebaut – profitieren zu können,
mussten die Leute des inneren Rheinwald und ihre Misoxer
Nachbarn handeln. Sie verlegten die Route vom gefährdeten
Hangfuß weg in die Mitte des breiten Sattels, eine vom
eiszeitlichen Gletscherschliff geprägte Landschaft mit
Rundhöckern und kleinen Mooren. In diese Epoche fällt auch der
Bau der Kirche San Bernardino um 1450 auf der Südseite des
Passes. Der mit Pflästerung und Stufen an den steilen Stellen
sehr solide gebaute Saumweg hat sich gut erhalten und dient
heute als historischer Wanderweg.
Um 1770 bauten die Dörfer Hinterrhein,
Nufenen und Mesocco den Bernhardin zu einer befahrbaren Straße
aus. Sie eliminierten die noch verbliebene lawinengefährdete
Passage am Geissberg, die zur 1693 erbauten Alten Landbrugg
führte, indem sie den Rhein weiter westlich querten und dafür im
Alt Wali eine größere Steigung in Kauf nahmen. Auf der Passhöhe
wurde der Weg ebenfalls nach Westen verlegt, sodass er den
Sattel an der tiefsten Stelle überwand. Auch dieses Sträßchen –
irreführenderweise als Strada romana bezeichnet – kann heute
noch begangen werden. Auf dem Pass kam es am 7. März 1799 beim
Laghetto Moesola zu einer kriegerischen Auseinandersetzung
zwischen einem französischen Heer unter General Claude-Jacques
Lecourbe, dass die Österreicher angriff und den 500 Mann des
Rheinwalder Landsturms. Die Franzosen schlugen die Rheinwalder
in die Flucht und marschierten im Tal ein.
1817 erteilte die Bündner Regierung dem
Straßenbauer und Staatsrat Giulio Pocobelli (1766–1843) den
Auftrag, ein Projekt mit Kostenvoranschlag für eine Straße von
der Tessiner Kantonsgrenze über den Pass bis nach Chur zu
erarbeiten. Innerhalb weniger Tage schritt Pocobelli die rund
100 Kilometer lange Strecke ab und legte dabei die
Streckenführung fest. Darauf erhielt er von der Bündner
Regierung als Generalunternehmer den Auftrag für den Bau.
Baubeginn war am 18. September 1818. Gegen den Bau wehrten sich
die Lombardei und die Gotthard-Kantone der Innerschweiz.[3] Die
1818–1823 unter finanzieller Beteiligung (deren 161'000 von den
707'565 Gulden Gesamtkosten des Königreichs Sardinien-Piemont
erbaute, bis heute dem lokalen Autoverkehr dienende Straße folgt
dem Wegverlauf von 1770, entschärft aber die Steigungen mit
vielen Kehren. Auf der Passhöhe wurde ein Hospiz eröffnet.
An der Südrampe legte Pocobelli die
Straße an den Hang am rechten Ufer der Moësa und überspannte
diese an ihrer engsten Stelle mit der Brücke Vittorio Emanuele.
Ohne die Brücken von Reichenau mitzuzählen, wurden 52 Brücken
erstellt, bis auf deren drei alle aus Stein. Die Brücke bei
Hinterrhein hatte als einzige mehrere Bögen, die drei Bögen
überspannen je 36 Fuß Weite. Mit 1350 Zentnern Schwarzpulver
wurden 92'281 Kubikmeter Felsen gesprengt. 42'900 Kubikmeter
Stein wurden in 9750 Metern Stützmauern verbaut, dazu kamen 6650
Meter Wandmauern. 32 Kilometer Holzgeländer wurden von den
Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Extrapost
von Chur nach Bellenz schaffte die Strecke nach der Eröffnung in
14–15 Stunden. Mit Bundesbeschluss vom 2. Februar 1923 erteilte
die Bundesversammlung gemäß Botschaft des Bundesrates vom 19.
Juni 1922 die Konzession für den Bau und Betrieb einer
Schmalspurbahn, welche die bestehende Bahnstrecke
Bellinzona–Mesocco mit der Station Thusis der Rhätischen Bahn
über den San Bernardino-Pass verbinden sollte. Das Projekt wurde
nicht realisiert.
Am 10. April 1965 wurde die Tunnelröhre
des San-Bernardino-Tunnels (italienisch Galleria del San
Bernardino) zwischen den Dörfern Hinterrhein (Nordportal auf
1613 m ü. M.) und San Bernardino (Südportal auf 1631 m ü. M.)
bergmännisch durchschlagen und am 1. Dezember 1967 für den
Verkehr eröffnet. Der 6,6 km lange Straßentunnel ermöglichte
erstmals eine ganzjährige Verbindung für die Bündner Südtäler
Misox und Calancatal in die Hauptstadt Chur und verbindet als
Teil der Nationalstraße N13 (heute A13) die Ostschweiz mit der
Alpensüdseite und dem Tessin. Er ist nach dem Gotthard der
zweitwichtigste Straßen-Alpenübergang der Schweiz.
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