Die Église Saint-Pierre-le-Vieux ist
ein Kirchenkomplex in Straßburg, der aus einer
römisch-katholischen und einer evangelisch-lutherischen Kirche
innerhalb der Protestantischen Kirche Augsburgischen
Bekenntnisses von Elsass und Lothringen besteht. Für
zahlreiche Historiker ist die Kirche die erste christliche
Kathedrale von Straßburg. Urkundlich erwähnt wurde sie 1130
zum ersten Mal. Im Süden des Sakralbaus entdeckte Robert Jean
Charles Will (1910–1998), langjähriger Stadtbaudirektor des
Gemeindeverbandes, Mauerreste aus römischer und merowingischer
Zeit. Gebaut entlang eines der wichtigsten römischen Wege der
Stadt, beherbergt der protestantische Teil – einst Schiff der
ursprünglichen Kirche – noch einige mittelalterliche
Wandmalereien und Grabplatten. Die Echtheit der hier
aufbewahrten Reliquien des Amandus von Straßburg ist
umstritten. Die heute dominierende gotische Konstruktion im
evangelischen Teil wurde im Jahr 1382 gebaut. Bemerkenswert
war der Chor im katholischen Teil aus dem Jahr 1455 von
Jodokus Dotzinger (gest. 1472), der sich einen Namen als
Münsterbaumeister machte. 1398 verlegte man das Kloster Honau
von Rheinau hierher. Die freie Reichsstadt Straßburg spielte
in der Reformation eine wichtige Rolle und brachte mehrere
evangelische Vordenker wie Matthäus Zell und Martin Bucer
hervor. 1529 wurden sämtliche Kirchen, darunter das Münster
und Saint-Pierre-le-Vieux, protestantisch. Nachdem Straßburg
1681 unter Ludwig XIV. französisch wurde, gewann der in
Frankreich dominierende Katholizismus an Bedeutung. Man suchte
bei der Nutzung der Sakralbauten einen Kompromiss: Bei
Saint-Pierre-le-Vieux bestand dieser darin, dass sich beide
Konfessionen die Kirche teilen. Durch eine 1,50 m dicke Mauer
trennte man den Chor (katholischer Teil) vom Langhaus
(evangelischer Bereich). Die Erhöhung der Zahl der
katholischen Gläubigen führte zur Konstruktion einer neuen
größeren katholischen Kirche. Der damalige Stadtbaudirektor
von Straßburg, Jean-Geoffroy Conrath (1824–1892), errichtete
1867 um 90° zum Altbau gedreht eine neue Kirche im
neugotischen Stil. Dabei wurde ein Großteil des
mittelalterlichen Chores geopfert. Den Plan für die Gestaltung
der Fassade und des neuen Turmes entwarf der Breslauer
Architekt Fritz Beblo (1872–1947), der von 1910 bis 1918 den
Posten des Stadtbaudirektors innehatte. In dieser katholischen
Kirche wurden Anfang des 20. Jahrhunderts kostbare
Flügelaltäre aus der Spätgotik und der Frührenaissance
aufgestellt, die aus abbruchreifen Kirchen des Oberelsass
gerettet wurden. Im Chor befinden sich zehn Gemälde, welche
den Leidensweg Christi zum Gegenstand haben. Sie werden
überwiegend dem Maler Heinrich Lützelmann zugeordnet.
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