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Allgemeines | |
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Freiherr Theodor Stephan von Neuhoff (* 25. August
1694 in Köln; † 11. Dezember 1756 in London) war ein deutscher politischer
Abenteurer, dem es Mitte des 18. Jahrhunderts gelang, sich vorübergehend
an die Spitze der korsischen Unabhängigkeitsbewegung gegen Genua zu
stellen. Er ging als erster und einziger frei gewählter König von Korsika
(Theodor I.) in die Geschichte ein. |
leben |
Theodor von Neuhoff wurde 1694 als Sohn des
Offiziers Leopold von Neuhoff, der bereits 1695 verstarb, und dessen Frau
Amélie geboren. Die im westfälischen Raum als Politiker und Militärs sehr
bekannte Familie Neuhoff, die schon im 18. Jahrhundert „im Stamm“ erlosch,
stellte zum Beispiel im 17. und 18. Jahrhundert die Drosten des Amtes
Altena in der Grafschaft Mark (heute Märkischer Kreis), die damals Teil
von Kurbrandenburg war. Leopold von Neuhoff war Offizier in der Garde des
Bischofs von Münster, wechselte aber nach seiner Heirat in französische
Dienste und kommandierte eines der Forts der Festung Metz. Die Mutter
Amélie war die Tochter eines Armeelieferanten aus Visé im Stift Lüttich,
in den Augen von Neuhoffs Verwandten eine bürgerliche Mesalliance. Theodors Schwester Elisabeth heiratete den Grafen
von Trévoux, den Neffen des Beichtvaters des Herzogs von Orléans, der aber
als Oberst 1719 fiel. Sie hatten einen Sohn, Friedrich, der seinem Onkel
später nach Korsika folgte und den Namen Neuhoff annahm, und eine Tochter,
die einen Marquis von Noyer heiratete. Die verwitwete Mutter heiratete
nach ihrer Zeit am Hof der Herzogin von Orléans einen Bürgerlichen, den
Steuerpächter Marneau (auf die Nachfrage der erstaunten Herzogin
antwortete sie nur, dass sie vom Adelsstolz genug habe). Es gab auch einen angeblichen Sohn, der in London
als Colonel Frederick als exzentrische Gestalt in den Caféhäusern bekannt
war. Zeitweise war er Agent des Herzogs von Württemberg, für den er
Soldaten an die Engländer verschachern sollte. Er schrieb sachkundige
Mémoires pour servir à l’histoire de Corse (1768) bzw. Description of
Corsica (London 1768) und erschoss sich völlig verschuldet 1797 in
Westminster Abbey, hatte aber mit seiner deutschen Frau Nachkommen in
England. Nach dem Tod seines Vaters schickte ihn seine Mutter zu seinen
Verwandten nach Westfalen. Er ging auf die Jesuitenkollegien von Münster
und Köln. In Köln hatte er Verwandte (ein Vetter Baron Droste, Großkomtur
des Deutschen Ordens), sie sollen einen Hof in der heutigen Kettengasse
gehabt haben. Nach einem zweifelhaften Pamphlet von 1736 kam es hier zu
einem Duell aus Eifersucht zwischen ihm und einem spanischen Grafensohn,
bei dem letzterer getötet wurde und Theodor fliehen musste. 1709 war er Page bei Liselotte von der Pfalz, der
Herzogin von Orléans und Mutter des späteren Regenten, in Paris und
Versailles. Seine Mutter hielt sich dort ebenfalls auf – als Geliebte des
Grafen von Mortagne. Am leichtlebigen Hof des Herzogs von Orléans
freundete sich Theodor mit dem Marquis von Courcillon an und diente einige
Zeit in dessen Regiment. Wegen seiner Schulden hielt es Liselotte von der
Pfalz aber für ratsam, ihn eine Weile aus Paris zu entfernen und empfahl
ihn an den Kurfürsten Max II. Emanuel von Bayern. 1714 trat von Neuhoff
als Rittmeister in die kurbayerische Armee ein. Er kam auch nach München
an den Hof der Kurfürstin und nahm seinen verschwenderischen Lebensstil
wieder auf. Wie in Paris verlor er hohe Beträge im Glücksspiel und machte
Schulden. Laut kurbayrischem Militärarchiv entwich er in München 1716 dem
Arrest, wurde aber 1717/18 in der Festung Kehl inhaftiert. Auch Liselotte
von der Pfalz wandte sich von ihm ab, als sie eines Tages Besuch von
Theodors Gläubigern erhielt, die er an sie verwiesen hatte. |
Agent |
In Paris lernte Theodor von Neuhoff den
holsteinischen Minister Freiherr Georg Heinrich von Görtz (1668–1719)
kennen. Jener genoss das volle Vertrauen des schwedischen Königs Karl XII.
und war als dessen inoffizieller Außenminister stets dabei, neue Intrigen
zu spinnen, um den schwer bedrängten Schweden im Nordischen Krieg
Freiräume zu verschaffen. 1716 versuchte von Görtz mit Unterstützung von
Spanien eine jakobitische Verschwörung in England anzuzetteln. Neuhoff
wurde von Görtz in Den Haag und Paris als Sekretär und Kurier eingesetzt,
unter anderem zum Hof der Mutter des schottisch-englischen
Thron-Prätendenten James Francis Edward Stuart in St. Germain. Der
Prätendent selbst musste 1717 Frankreich endgültig verlassen (er war schon
1716 aus St. Germain ausgewiesen worden und hielt sich noch in Avignon
auf, das dem Papst gehörte), da der Regent und sein Minister Dubois mit
England Frieden geschlossen hatten. Die schwedische Diplomatenpost wurde
in London mitgelesen, und man ließ dort im Februar 1717 die ganze
Verschwörung mit einem großen Knall auffliegen. Der schwedische
Botschafter in London, Carl Gyllenborg, wurde verhaftet und ebenso Görtz
in Holland, beide kamen aber im selben Jahr durch diplomatischen Druck der
Schweden wieder frei. Kurz vor seinem Sturz nach dem Tod Karls XII. im
Dezember 1718 schickte Görtz Theodor noch zu Verhandlungen nach Spanien,
wo der ähnlich umtriebige Kardinal Giulio Alberoni (1664–1725) als
allmächtiger Minister von Philipp V. und dessen Gemahlin Elisabetta
Farnese wirkte. Theodor errang sein Vertrauen und wurde von ihm
unter anderem in einer von diesem angezettelten Verschwörung des
französischen Hochadels (Herzogin von Maine) zum Sturz des Regenten
(„Verschwörung von Cellamare“) eingesetzt. Sie flog ebenso auf wie die von
Görtz gegen England und führte zum Krieg der Quadrupelallianz gegen
Spanien. Alberoni wurde 1719 gestürzt und ging nach Rom. Theodor wurde
auch von dessen Nachfolger, dem holländischen Abenteurer Riperda
(1680–1737) verwendet, setzte sich dann aber 1720 nach Paris ab, gerade
rechtzeitig, um in John Laws „Mississippi-Spekulation“ kurzfristig zu
Reichtum zu gelangen. Nachdem diese Blase geplatzt war, floh er vor seinen
Gläubigern weiter nach London. In den folgenden Jahren führte er ein
unstetes Wanderleben, konnte aber das Vertrauen der Minister in Wien
gewinnen, die ihn 1732 als Agenten in Florenz einsetzten. Hier kam er zum
ersten Mal mit der korsischen Unabhängigkeitsbewegung gegen Genua in
Berührung. Der Kaiser unterstützte gerade halbherzig die Genuesen in der
Unterwerfung der Insel mit Truppen, und die Führer der Korsen waren von
den Genuesen unter Bruch der Zusage eines freien Geleits verhaftet und
nach Genua verschleppt worden. Theodor gelang es, durch seine Berichte
nach Wien deren Freilassung zu erreichen, was sein Ansehen bei den
Exil-Korsen in der Toskana derart anhob, dass sie ihm den Königstitel
anboten, falls er genügend Unterstützung organisieren könnte. |
Leben nach Korsika / Tod |
Im Sommer 1748 war er wieder in den Niederlanden
als Gast verschiedener hochgestellter, politisch einflussreicher
Persönlichkeiten, unter anderem in der Wasserburg Huis ‘t Velde bei
Zutphen als Gast von Jan Adolph Hendrik Sigmund van Dorth. Dort machte er
wieder Pläne für ein Rückkehr nach Korsika. Er versuchte noch mehrmals
erfolglos, seine Ansprüche durchzusetzen, und sah 1749 seine letzte Chance
in London, wo er noch viele Sympathisanten hatte. Dort konnten aber die
Genuesen im Dezember seine Verhaftung erreichen, indem sie Theodor unter
einem Vorwand aus seiner Unterkunft lockten – man konnte nur auf offener
Straße verhaftet werden – und Schuldscheine im Wert von 15.000 Pfund
präsentierten. Theodor landete in Schuldhaft im King’s Bench Prison in
Southwark und blieb dort bis 1755, als er aufgrund eines allgemeinen
Gnadenaktes freikam. In London war es während seiner Haft Mode, den
gefallenen „König“ zu besuchen. Der Schriftsteller Horace Walpole und der
Schauspieler David Garrick sammelten für ihn Geld. Aus unbekannten Gründen
wurde Theodor 1756 erneut eingesperrt und kam erst Ende des Jahres frei.
Drei Tage danach, am 11. Dezember, starb er. Sein Grabstein befindet sich
in der Londoner Kirche St. Anne, Soho, mit einem von Walpole gedichteten
Nachruf. |
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