Castagniccia ist die Bezeichnung einer
Hügellandschaft im Osten von Korsika im Department Haute-Corse. Sie liegt
zwischen dem Golo im Norden und dem südlich gelegenen Tavignano.
Gleichzeitig ist Castagniccia die korsische Bezeichnung für den
„Kastanien-Selve“. Die charakteristische Edelkastanie (Castanea
sativa), die auch als Esskastanie bezeichnet wird, bedeckt allein im Gebiet
der Castagniccia eine Fläche von etwa 15.000 ha. Die Anlage von
siedlungsnahen Edelkastanien-Selven wurde maßgeblich von den Genuesen
gefördert, um die damals immer wieder auftretende Hungersnöte zu lindern.
Dafür wurden auch zahlreiche frischere Stein- und Flaumeichenstandorte
gerodet und in die heute noch charakteristische mediterrane
Kastanienlandschaft umgewandelt. Neben der Viehzucht (Schafe, Ziegen) waren
die Kastanien die Hauptnahrungsquelle der Korsen – deshalb auch die
Bezeichnung als „Brotbaum“. Die Früchte wurden getrocknet und zu Mehl
verarbeitet oder dienten als Viehfutter und verhalfen der Region zu gewissem
Wohlstand. Sichtbares Zeichen dessen sind große Kirchen, die noch heute im
Zentrum jedes noch so kleinen Dorfes zu finden sind. Im 18. Jahrhundert war die Castagniccia ein Zentrum
der korsischen Unabhängigkeitsbewegung. Die zahlreichen Klöster waren
Versammlungsort der Freiheitskämpfer und Zentrum des Widerstandes. Pasquale
Paoli wurde in Morosaglia, im Norden der Castagniccia geboren. Cervione ist
bekannt als Sitz der Bischöfe von Aléria im Spätmittelalter, sowie als
Residenz Theodor von Neuhoff, der am 15. April 1736 von einem Konvent der
korsischen Bevölkerung im Kloster Alesani zum König von Korsika gewählt
wurde. In Orezza gibt es heute neben der Ruine eines Klosters eine weit über
die Grenzen Korsikas geschätzte Quelle, die vermutlich schon in der Antike
bekannt war. Seit langem ist eine gesundheitsförderliche Wirkung dieses
Wassers anerkannt, dies wird auch durch einen kaiserlichen Erlass vom 7.
Februar 1866 unterstrichen. Im 19. Jahrhundert hatte die Castagniccia die
höchste Bevölkerungsdichte aller Regionen der Insel. Heute ist die vor 100
Jahren noch wohlhabende Castagniccia ebenso von der Landflucht betroffen,
wie die vielen anderen ländlichen Gegenden Korsikas. Damit einher ging der
Niedergang der Kastanien-Selven, die nunmehr als Weide für halbwilde
Hausschweine dienten, keine Pflege mehr erfuhren und durch Krankheiten
geschwächt waren. Inzwischen hat man aber die Bedeutung dieser
landschaftsprägenden Bäume wiederentdeckt, und pflegt mancherorts die lange
vernachlässigten Baumkulturen wieder. Seit den 1990er Jahren sind wieder
vermehrt heimische Produkte aus dem Mehl der korsischen Edelkastanien zu
kaufen, wie etwa das zunehmend beliebtere Kastanienbier Pietra. Sehenswerte
Orte in der Castagniccia sind Cervione, Pedicroce, la Porta und das Kloster
in Alesani. Das kleine Bergdorf Campodonico ist Ausgangspunkt für eine
Wanderung auf den Monte San Petrone, mit 1767 m die höchste Erhebung in der
Castagniccia.
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